Die Geltendmachung des Pflichtteils durch den Insolvenzschuldner

Pflichten und Rechtsprechung

Insolvenzverfahren sind komplexe rechtliche Prozesse, die tiefgreifende Auswirkungen auf das Vermögen und die finanziellen Ansprüche einer Person haben. Eine der oft gestellten Fragen in diesem Zusammenhang ist, ob ein Pflichtteilsberechtigter, der sich in einem Insolvenzverfahren befindet, seinen Anspruch auf den Pflichtteil geltend machen muss.
 

Der Pflichtteil und die Insolvenz: Eine Einführung

Der Pflichtteil ist ein gesetzlicher Mindestanteil am Erbe, der bestimmten nahen Angehörigen, wie Kindern und Ehepartnern, zusteht. Er soll verhindern, dass diese völlig enterbt werden. Wenn ein Pflichtteilsberechtigter jedoch in die Insolvenz gerät, stellt sich die Frage, ob dieser Anspruch trotz der Insolvenz durchgesetzt werden muss oder ob er zugunsten der Gläubiger ausgeschlagen werden kann.

Pflichtteil und Insolvenz: Rechtliche Grundlagen

In Deutschland regelt § 2303 BGB den Pflichtteilsanspruch. Kommt es zu einer Insolvenz, wird das Vermögen des Schuldners gemäß den Vorgaben der Insolvenzordnung (InsO) verwertet. Zum Insolvenzvermögen gehören alle pfändbaren Vermögenswerte, die dem Schuldner während des Insolvenzverfahrens zufließen. Dazu zählt auch der Pflichtteilsanspruch.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) muss ein Insolvenzschuldner, der pflichtteilsberechtigt ist, seinen Anspruch jedoch nicht geltend machen. In der Entscheidung vom 18.12.2008, IX ZB 249/07 und 11.06.2015, IX ZB 18/13 stellte der BGH klar, dass die Entschließungsfreiheit des Schuldners geschützt werden soll.

Geltendmachung des Pflichtteils: Pflichten des Insolvenzschuldners

Der Insolvenzschuldner hat die Pflicht, alle ihm zustehenden Ansprüche und Forderungen offenzulegen und diese zugunsten der Insolvenzmasse geltend zu machen. Das bedeutet, dass ein Pflichtteilsanspruch nicht freiwillig ausgeschlagen werden darf, wenn dadurch die Gläubiger benachteiligt werden. Der Insolvenzschuldner ist jedoch nicht verpflichtet, den Pflichtteil geltend zu machen.

In der Praxis wird der Pflichtteilsanspruch vom Insolvenzverwalter für den Insolvenzschuldner geltend gemacht, der dann entscheidet, wie dieser verwertet wird. Sollte der Insolvenzschuldner den Anspruch nicht anzeigen oder zuwiderhandeln, kann dies als Insolvenzverschleppung gewertet werden, was strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen könnte.

Wichtig ist jedoch zu wissen, nur wenn der pflichtteilsberechtigte Insolvenzschuldner den Anspruch aktiv geltend macht oder zustimmt, dass der Insolvenzverwalter diesen geltend macht, kann der Pflichtteil auch geltend gemacht werden.

Rechtsprechung und wichtige Urteile

Ein wegweisendes Urteil ist die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, in der klargestellt wurde, dass der Pflichtteilsanspruch eines Insolvenzschuldners in die Insolvenzmasse fällt. Weitere relevante Entscheidungen, wie das Urteil des, haben die Position des Insolvenzverwalters gestärkt und die Pflichten des Schuldners präzisiert.

Ein weiteres Beispiel ist das Urteil eines OLG, das verdeutlichte, dass auch Vermächtnisse und andere erbrechtliche Ansprüche in die Insolvenzmasse einfließen, wenn sie dem Schuldner während des Verfahrens zufließen.

Der Pflichtteilsberechtigte ist jedoch nicht verpflichtet, aktiv zu werden. Wenn er nichts unternimmt, kann der Insolvenzverwalter auch nicht in seinem Namen den Pflichtteil einfordern. Es besteht zudem keine Verpflichtung, Pflichtteilsansprüche geltend zu machen. Dies gilt im Übrigen gemäß Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25.6.2009, IX ZB 196/08 auch während der Wohlverhaltensphase.
Wenn während der Wohlverhaltensphase der Insolvenzschuldner seine Ansprüche gegen den Erben ungenutzt lässt, ist dies keine Obliegenheitsverletzung des Insolvenzschuldners. Ebensolches gilt, wenn im Laufe des Insolvenzerfahrens oder der Wohlverhaltensphase angefallenes Vermächtnis ausgeschlagen wird, siehe BGH-Entscheidung vom 10.3.2011, IX ZB 168/0 9.

Schlussfolgerung und rechtliche Hinweise

Für Insolvenzschuldner ist es essenziell, ihre Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit dem Pflichtteil genau zu kennen. Da der Pflichtteilsanspruch ein wesentlicher Bestandteil des Insolvenzvermögens ist, sollte dieser Anspruch stets korrekt und vollständig offengelegt werden. Der Rechtsweg sollte in solchen Fällen nie ohne rechtlichen Beistand beschritten werden, da die Konsequenzen für den Insolvenzschuldner erheblich sein können.

Auch für den Erben ist es wichtig zu wissen, ob der Insolvenzverwalter für den Pflichtteilsberechtigten den Anspruch geltend machen kann oder nicht.
Die Kanzlei Brandt für Rechtsberatung und Schuldnerberatung steht Ihnen bei Fragen rund um die Geltendmachung des Pflichtteils im Rahmen eines Insolvenzverfahrens zur Seite.

Lassen Sie sich frühzeitig beraten, um unnötige Risiken zu vermeiden.

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Die Kanzlei Brandt wurde 2004 von Rechtsanwältin Caroline Brandt in Güstrow gegründet, nachdem sie bereits Erfahrung in einer großen Kanzlei sammelte.

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