Das Wechselmodell ist eine alternative Betreuungsform für Kinder getrennt lebender Eltern. Dabei teilen sich beide Elternteile die Betreuung des Kindes in etwa gleichen Anteilen. Dies unterscheidet sich vom klassischen Residenzmodell, bei dem das Kind seinen Lebensmittelpunkt bei einem Elternteil hat, während der andere Elternteil Unterhalt zahlt.
Doch wie wirkt sich das Wechselmodell auf den Kindesunterhalt aus? Welche rechtlichen Herausforderungen ergeben sich? In diesem Beitrag erfahren Sie alles Wichtige zu den Voraussetzungen, Vor- und Nachteilen sowie zur Berechnung des Unterhalts im Wechselmodell.
Definition: Was bedeutet Wechselmodell?
Beim Wechselmodell leben Kinder getrennt lebender Eltern abwechselnd bei beiden Elternteilen. Beide Eltern tragen gleichermaßen Verantwortung für die Erziehung, Betreuung und Versorgung des Kindes. Rechtlich ist dies ein Sonderfall, da das deutsche Familienrecht primär vom Residenzmodell ausgeht (§ 1606 Abs. 3 S. 2 BGB). In der Praxis führt das Wechselmodell daher oft zu Fragen rund um die Unterhaltspflicht.
Unterschiede zum Residenzmodell
Beim Residenzmodell wohnt das Kind dauerhaft bei einem Elternteil, während der andere Elternteil Unterhalt zahlt und ein Umgangsrecht hat. Im Wechselmodell gibt es keine eindeutige Zuordnung, sodass beide Elternteile finanzielle Verantwortung tragen. Dadurch ergeben sich komplexe Fragen zur Unterhaltsberechnung.
Vor- und Nachteile des Wechselmodells
Vorteile
- Gleichmäßige Eltern-Kind-Bindung: Beide Elternteile sind gleichmäßig in das Leben des Kindes eingebunden.
- Geteilte Betreuungsverantwortung: Alltagsaufgaben wie Hausaufgabenbetreuung oder Arztbesuche werden von beiden Elternteilen übernommen.
- Gerechtere Rollenverteilung: Es gibt keine klassische Unterscheidung zwischen „Alltagselternteil“ und „Wochenendelternteil“.
Nachteile
- Höherer organisatorischer Aufwand: Das Kind muss regelmäßig zwischen den Wohnorten pendeln.
- Hohe Kooperationsbereitschaft erforderlich: Eltern müssen eng zusammenarbeiten, was bei Konflikten schwierig sein kann.
- Mögliche emotionale Belastung: Manche Kinder fühlen sich durch den ständigen Wechsel entwurzelt.
Echtes und unechtes Wechselmodell
Es wird zwischen dem echten und dem unechten Wechselmodell unterschieden:
- Echtes Wechselmodell: Beide Elternteile übernehmen die Betreuung zu annähernd gleichen Teilen (50:50-Verteilung).
- Unechtes Wechselmodell: Ein Elternteil erbringt einen größeren Betreuungsanteil als der andere (z. B. 70:30). In diesem Fall bleibt die klassische Unterhaltspflicht bestehen.
Ob ein echtes Wechselmodell vorliegt, hängt von verschiedenen Faktoren ab:
- Zeitliche Aufteilung der Betreuung
- Betreuung bei Krankheit des Kindes
- Organisation und Kostenübernahme für Schule, Kleidung, Freizeitaktivitäten
Gerichte entscheiden individuell über die Einstufung, wobei eine ungleiche Aufteilung von mehr als 10 % oft gegen ein echtes Wechselmodell spricht (BGH v. 21.12.2005 – Az. XII ZR 126/03).
Auswirkungen auf den Unterhalt
Ein weit verbreiteter Irrglaube ist, dass im Wechselmodell kein Unterhalt gezahlt werden muss. Tatsächlich bleiben beide Elternteile unterhaltspflichtig. Die Höhe des Unterhalts richtet sich nach den Einkommensverhältnissen der Eltern.
Berechnung des Unterhalts im Wechselmodell
Die Berechnung erfolgt in mehreren Schritten:
- Ermittlung des Gesamteinkommens: Die Nettoeinkommen beider Elternteile werden addiert.
- Bestimmung des Kindesunterhalts: Der Unterhaltsbedarf wird anhand der Düsseldorfer Tabelle bestimmt.
- Berücksichtigung von Mehrkosten: Zusätzliche Kosten (z. B. Fahrtkosten zwischen den Wohnorten) werden addiert.
- Selbstbehalt abziehen: Jedem Elternteil wird der Selbstbehalt belassen.
- Aufteilung des Unterhalts nach Einkommensanteilen: Der verbleibende Unterhalt wird entsprechend der Einkommensverhältnisse zwischen den Eltern aufgeteilt.
- Kindergeld anrechnen: Das Kindergeld wird hälftig auf beide Elternteile angerechnet.
Beispielrechnung
- Vater (V) verdient 2.700 € netto, Mutter (M) 1.850 € netto.
- Der Unterhaltsbedarf laut Düsseldorfer Tabelle beträgt 714 €.
- Zusätzlich entstehen Mehrkosten von 250 € (Kinderzimmer, Fahrten).
- Gesamter Unterhaltsbedarf: 964 €.
- V hat nach Abzug des Selbstbehalts (1.450 €) ein verfügbares Einkommen von 1.250 €, M von 400 €.
- V trägt 76 %, M trägt 24 % des Unterhaltsbedarfs.
- V muss 732,64 €, M muss 231,36 € zum Unterhalt beitragen.
Praxistipp
Da das Wechselmodell mit komplexen rechtlichen und finanziellen Fragen verbunden ist, empfiehlt es sich, frühzeitig eine anwaltliche Beratung in Anspruch zu nehmen. Besonders die Berechnung des Unterhalts kann kompliziert sein, da individuelle Faktoren wie Wohnkosten, Schulgebühren und Sonderausgaben berücksichtigt werden müssen.
Sie haben Fragen zum Unterhalt im Wechselmodell? Kontaktieren Sie Rechtsanwaltskanzlei Brandt für eine unverbindliche Erstberatung.