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Einkommen im Sinne des § 850c Abs. 4 ZPO ist kein Kindergeld

Der Bundesgerichtshof hat mit einem Beschluss vom 9.7.2020 klargestellt, dass auch dann, wenn das Kind eine 1. unterhaltsberechtigte Person im Sinne des § 850c Abs. 1 S. 2 ZPO ist, das Kindergeld kein Einkommen im Sinne des § 850c Abs. 4 ZPO darstellt.

Im betreffenden Fall lebte die Schuldnerin getrennt von ihrem Ehemann und bewohnte zusammen mit den beiden, noch die Schule besuchenden Kindern, eine 168 m² große Wohnung zu einer Warmmiete i.H.v. 1.150,00 €. Die Schuldnerin selbst verfügt über ein monatliches Nettoeinkommen i.H.v. 1.331,00 €. Für beide Kinder zahlte der Kindesvater jeweils monatlichen Unterhalt i.H.v. 334,00 € je Kind. Kindergeldzahlungen erhielt die Schuldnerin für jedes Kind in gesetzlicher Höhe. Der Insolvenzverwalter der Schuldnerin beantragte beim Insolvenzgericht, dass die beiden Kinder bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens der Schuldnerin gemäß § 36 Abs. 1 S. 3, Abs. 4 S. 1 InsO, § 850c Abs. 4 ZPO unberücksichtigt bleiben. Ebenso beantragte der Insolvenzverwalter, dass das ausgezahlte Kindergeld als Einkommen der Schuldnerin zu werten sei und der Schuldnerin und den beiden Kindern aus sozialhilferechtlichen Gründen lediglich eine 80 m² große Wohnung zuzubilligen sei.

Das Insolvenzgericht ordnete daraufhin an, dass beide Kinder nicht als unterhaltsberechtigte Person zu zählen seien. Das Beschwerdegericht änderte auf die Beschwerde der Schuldnerin hin, den Beschluss des Insolvenzgerichtes ab und ordnete an, dass bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens der Schuldnerin der unterhaltsberechtigte Sohn zu 70 % und unterhaltsberechtigte Tochter zu 50 % unberücksichtigt bleiben. Den weitergehenden Antrag des Insolvenzverwalters wies das Beschwerdegericht zurück. Hiergegen wendete sich der Insolvenzverwalter mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde und dem Ziel die amtsgerichtliche Entscheidung (erstinstanzliche) wiederherzustellen.

Der Bundesgerichtshof hat mit dem oben genannten Beschluss der Rechtsbeschwerde des Insolvenzverwalters stattgegeben. Eine abschließende eigene Entscheidung des Bundesgerichtshofes über die begehrte Nichtberücksichtigung der Kinder bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des
Arbeitseinkommens der Schuldnerin war dem Senat des Bundesgerichtshofes allerdings nicht möglich. Daher wurde die Sache zur Entscheidung an die vorherige Instanz zurückverwiesen.

Entsprechend seiner bisherigen Rechtsprechung (siehe Beschluss vom 19.12.2019 zum Aktenzeichen IX ZB 83/18) hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung ausgeführt, dass Unterhaltszahlungen, die der Unterhaltsberechtigte vom anderen Elternteil oder von Dritten (z. B. Unterhaltsvorschuss) bezieht, eigene Einkünfte im Sinne des § 850c Abs. 4 ZPO zu berücksichtigen sind.

Er stellte allerdings klar, dass nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, Kindergeld kein Einkommen der unterhaltsberechtigten Kinder im Sinne des § 850c Abs. 4 ZPO darstellt. Es dient, so der BGH, dem Ausgleich der aus dem Familienunterhalt folgenden Belastungen. Der BGH führte ferner aus, dass der Gesetzgeber bereits bei der Bemessung des pauschalierten pfändungsfreien Betrages in § 850c Abs. 1 ZPO bereits berücksichtigt hat, dass für Kinder des Schuldners als weitere Unterhaltsberechtigte regelmäßig Kindergeld gezahlt wird. Hier sei verwiesen auf die Entscheidung des BGH, Beschluss vom 5.4.2005 zum Az. VII ZB 20/05 und Beschluss vom 19.12.2019 zum Az. IX ZB 83/18. Dementsprechend zählt das Kindergeld auch dann nicht als unterhaltsrechtliches Einkommen des Kindes, wenn das Kind die 1. unterhaltsberechtigte Person ist. Das Gesetz unterscheidet für die Höhe, der in Betracht kommenden Freibeträge, lediglich zwischen der 1. unterhaltsberechtigten Person und den weiteren, bis zu 5, unterhaltsberechtigten Personen. Eine darüber hinausgehende Staffelung der Freibeträge ist durch den Gesetzgeber nicht vorgesehen. Hat die unterhaltsverpflichtete Personen keinen Ehegatten als 1. unterhaltsberechtigte Person, so rutschen die normalerweise erst mit Beginn der 2. unterhaltsberechtigten Person zu berücksichtigenden Kinder, in die Position der 1. unterhaltsberechtigten Person im Sinne des § 850 Abs. 1 S. 2 ZPO. Würde das Kindergeld hier als eigenes Einkommen des Kindes angesehen werden, käme man im Beschluss vom 19.5.2004 abgelehnten Ergebnis und berücksichtige die Kinder, für die Kindergeld wird bezahlt wird, nur mit dem verminderten Freibetrag der 2. - 5. Stufe.

Der Gesetzgeber hat bewusst nicht im Einzelnen geregelt, ab welcher Höhe eigenes Einkommen des Unterhaltsberechtigten, seine Berücksichtigung bei der Bestimmung der Pfändungsbeträge aus Arbeitseinkommen oder diesen gleichgestellten Bezügen des Unterhaltsverpflichteten, ausschließt. Dies ergibt sich aus dem vom Gesetzgeber verwendeten Begriff des billigen Ermessens. Eine schematische Betrachtungsweise verbietet sich nach der ständigen Rechtsbrechung des BGH´s. Unter Abwägung der wirtschaftlichen Lage des Gläubigers und des Schuldners sowie der von ihm unterhaltenden
Angehörigen, hat das Gericht vielmehr seine Entscheidung zu treffen. Eine bloß einseitige Orientierung an bestimmten Berechnungsmodellen scheidet aus, denn sie würde dem Sinne des § 850c Abs. 4 ZPO widersprechen.

Mit seiner Entscheidung beanstandete der BGH auch die vom Beschwerdegericht vorgenommene Berechnung des eigenen Bedarfs der unterhaltsberechtigten Kinder. Er wies darauf hin, dass das vorinstanzliche Gericht bei seiner Ermessensentscheidung zu Bedenken habe, dass der Grundfreibetrag des § 850 die Abs. 1 ZPO regelmäßig dazu dient, zu einem erheblichen Teil, die Wohnungsmiete und andere Grundkosten des Haushalts abzudecken. Diese Kosten erhöhen sich nicht proportional zur Personenzahl des Haushalts. Sozialrechtliche Regelungen zur Existenzsicherung können bei der Berechnung des Bedarfs des Unterhaltsberechtigten herangezogen werden. Zu berücksichtigen ist aber, dass die Regelung über die Pfändungsfreigrenzen dem Schuldner und seinen Unterhaltsberechtigten nicht nur das Existenzminimum sichern sollen, sondern vielmehr ein deutlich darüber liegender Anteil an Arbeitseinkommen erhalten bleiben muss. Nicht zu beanstanden, so der BGH, ist bei Orientierung einer an den sozialrechtlichen Regelungen daher im Rahmen der Ermessensausübung vom Gericht in tatrichterlicher Würdigung aller Umstände des Einzelfalls berücksichtigter Zuschlag in Größenordnungen von 30-50 %.

Der Regelbedarf nach §§ 20 SGB II, 27a, 28 SGB XII ist dabei maßgebliche Berechnung Grundlage. Der Abstand zum sozialrechtlichen Existenzminimum wird durch den Zuschlag auf den Regelbedarf hinreichend gewahrt. Neben dem Regelungsbedarf nach § 20 SGB II verbietet es sich daher, zusätzlich auch die individuellen Bedarfe für Bildung und Teilhabe nach § 28 Abs. 3 und 7 SGB II und für Unterkunft und Heizung nach § 22 II als Berechnungsgrundlage einzustellen. Diese zusätzlichen Bedarfe sind regelmäßig durch den auf den Regelbedarf zu gewährenden Zuschlag abgedeckt.

Der BGH hat hier deutlich gemacht, dass Kindergeld nicht pfändungsrelevantes Einkommen im Sinne des § 850c Abs. 1 S. 2 ZPO bei der 1. unterhaltsberechtigten Person ist. Anderes Einkommen des Kindes ist allerdings anrechenbar.